
Fado ist nicht etwa museal zu begreifen, sondern allgegenwärtig und stets auf der Höhe der Zeit. Ja, Fado, das waren einst allein Geschichten von an Land wartenden Frauen, derweil ihre Männer auf hoher See unterwegs waren. Doch der Fado reflektierte zudem die Unterdrückung während des Salazar-Regims und die Hoffnungen der sogenannten Nelkenrevolution. Júlio Resende äußert sich dazu mit nachstehenden Worten: "Ich weiß eigentlich nicht, ob ich Fado oder Jazz spiele, vielleicht beides. Ich möchte mich aber nicht ausschließlich dem einen oder dem anderen verschreiben. Sobald man sich festlegt, dann lässt man sich die Möglichkeit der Entwicklung nicht mehr offen. Ich jedoch möchte frei und offen sein, so wie auch die Klänge von Fado und Jazz.“
Das Eröffnungsstück hat so gar nichts von Melancholie und von Schwere, wie man sie sonst vom Fado kennt. Im Gegenteil die Melodie von "Vira Mais Cinco" ist überaus beschwingt. Neben dem Piano vernehmen wir den Klang der Laute gleichenden bauchigen Portugiesischen Gitarre, die hier und da auch im Klang an eine Mandoline erinnert. Im weiteren Verlauf meint man, man höre einen Tanz im 5/4 Takt, als wäre man Gast eines ausgelassenen Festes, mit dem das Leben gefeiert wird.
Eine Ballade namens "Lira" folgt, getragen von den fein gewebten Klangstrukturen des Pianisten und dem dezent spielenden Bassisten und Drummer. Irgendwie hat das Stück auch durchaus den Charakter eines leicht zu singenden Kinderliedes, oder? Der Gitarrist präsentiert uns nachfolgend ein Solo, bei dem man nicht nur an Tarantella, sondern auch an andere Volkstänze erinnert wird. Im Diskant setzt Resende dann das Stück am Klavier fort. Das Spiel ist perlend, fließend, lieblich strömend, unbeschwert und losgelöst. Umspielungen dessen, was der Gitarrist „vorgegeben“ hat, bestimmen den kommenden Verlauf der Komposition, die ebenso wie die meisten auf dem Album von Resende stammen.
An einen Tanz denkt man auch beim Hören von „Fado das 7 Cotovias“. Auffallend ist insbesondere die Rhythmisierung, an der sich nicht allein Schlagzeuger und Bassist, sondern auch alle anderen Musiker des Ensembles beteiligen. Sehr schmeichlerisch ist der Klang, den der Gitarrist zum Besten gibt. Das hat einen Hauch von Licht des Südens, beinahe von Karibik und Hawaii. Ist nicht auch eine Collage von Bossa und Bolero zu vernehmen? Pure Lebensfreude bringt die Band mit diesem Stück zum Ausdruck, so als würde sie den Hörern zurufen: „Das Leben ist schön. Genießt es!“
Kaskadierend und in großen Wellen agiert der Pianist in "Este Piano Não Te Esquece". Im Folgenden ist er dann in einen Dialog mit dem Gitarristen eingebunden, der Klänge anstimmt, zu denen ein Barde ein schmalziges Liebeslied darbringen könnte. Doch auf Gesang verzichtet das Ensemble und erzählt dennoch Geschichten, die das Leben schreibt, auch Geschichten von Sehnsucht, wie im vorliegenden Fall, so muss man unterstellen. Es scheint ein Stück über Abschied und Wiederkehr, wie man sie vom klassischen Fado her kennt. Mit den Worksongs auf den Baumwollfeldern der amerikanischen Südstaaten, mit Country Blues oder John Lee Hooker hat der „Fado Blues“ nur in wenigen Momenten etwas gemein. Und doch gibt es ihn, den bluesigen Fado, in dem sich der graue Alltag bündelt. Im vorliegenden Fall meint man gar, auch ein wenig Swing im Geiste von Django Reinhardt herausfiltern zu können. Und wenn sich Gitarrist und Bassist zum Zwiegespräch vereinen, ja dann ist auch der klassische Blues mit im Spiel. Am Ende des Albums erleben wir dann die Sängerin Lina mit "Profecia", jedoch ohne überbordende Sentimentalität."
Der hier wörtlich zitierte Artikel von Ferdinand Dupuis-Panther ist erschienen in Jazz'halo.